Mario Verdaguer: Plaça de la Reina
Palma

Die verblasste Stadt ist der Roman über Palma par excellence. In diesem Auszug erinnert Mario Verdaguer, wie El Born und die heutige Plaza de la Reina waren.

Wenn ich mich daran erinnere, wie der Born vor fünfzig Jahren war, empfinde ich vor allem Überraschung darüber, dass alles sich so stark verändern konnte, ohne dass ich es bemerkt habe. Die Bäume haben jedes Jahr neue Blätter bekommen und sind gewachsen, und die Zeit ist wie ein unsichtbarer Strom die Allee hinuntergeflossen und hat in aller Stille Dinge mitgenommen, die unzerstörbar schienen, und andere neue angeschwemmt, die sich nach und nach an diesem Ort festgesetzt haben und nun so aussehen, als wären sie immer schon da gewesen. Das Leben ist paradox. Das, was fest und unzerstörbar schien, ist beim kleinsten Lufthauch des Zufalls verschwunden und das, was vorübergehend und schwach schien, gibt es immer noch.

La ciudad desvanecida (1953)

Übersetzt von Claudia Kalasz. Durchgeführt von José Carlos Llop.

Mario Verdaguer

(Mahon, 1885 – Barcelona, 1963). Als facettenreiches Multitalent und gestandener Intellektueller war Mario Verdaguer als Schriftsteller, Übersetzer, Maler und Journalist tätig. Sein Leben spielte sich  zwischen seinem Geburstort Mahon und den Städten Barcelona und Palma ab. Der Spanische Bürgerkrieg (1936 bis 1939) brachte ihn nach Palma, um Schutz und einen ruhigen Ort zu suchen, an dem er seine Arbeit fortsetzen konnte. Allerdings verloren seine Werke ab diesem Moment den Optimismus, den seine erste Schaffensperiode auszeichnete.

La ciudad desvanecida (1953) heißt sein bekanntester Roman, der vom Círculo Mallorqín mit dem Literaturpreis ausgezeichnet wurde, den der Klub zu seinem hundertjährigen Bestehen im Jahr 1952 ausgeschrieben hatte. In dem Roman verarbeitet Verdaguer seine Kindheitserinnerungen an Palma; ein nostalgischer und sentimentaler Rundgang durch eine Stadt, die sich durch die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte schnell transformiert hatte. Der besondere Blick des Schriftstellers macht aus dem Stadtrundgang Literatur. Durch die Beschreibungen der verschiedenen Schauplätze und bekannten Charaktere verewigt er diese sentimentalen Erinnerungen an die Vergangenheit Palmas.

Verdaguer behandelt Mallorca auch in anderen Werken wie dem Roman La isla de oro (de 1926), der zur Zeit Erzherzogs Ludwig Salvator von Österreich spielt, oder in Un verano en Mallorca (1959).

 

Passeig del Born und Plaça de la Reina

Der Paseo del Born ist heute eine der wichtigsten Einkaufsmeilen für Besucher und Einheimische. Auch wenn der Name Born an den mittelalterlichen Brauch der Lanzenkämpfe unter Rittern erinnert, hatte der Paseo del Born niemals diesen Zweck. Dort wo heute die Born-Promenade ist, war früher eine langgezogene enge Bucht, in die der Fluss Sa Riera mündete. Seit dem 17. Jahrhundert wird der Paseo del Born für öffentliche Veranstaltungen im Freien genutzt. Für die Einwohner der Stadt ist es ein wichtiger Ort für das öffentliche Zusammenleben. Die Literaturcafés und Bars, die an dieser Promenade lagen, wie zum Beispiel das Riskal, waren der Treffpunkt für vieler Schriftsteller, die das literarische Schaffen nach dem Spanischen Bürgerkrieg und während der Franco-Diktatur wieder aufnahmen.

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