Die Freude, ein Ausländer zu sein

 

Im August habe ich 11 Tage im Ausland verbracht, am Strand von Canyamel, in der Nähe der Höhlen von Artà, auf Mallorca. Eine neue, nicht traumatisierende Erfahrung. Schließlich wollte ich schon immer einmal eine Idee von Elias Canetti in die Tat umsetzen, die er in einem Aphorismus formuliert. Jemand schwört sich in seinem eigenen Land als Fremder verkleidet zu leben, bis man ihn erkennt. Er stirbt, zutiefst verbittert, als Fremder.

Das Problem ist, in Canyamel kann man nicht spielen sich als Fremder zu verkleiden; wenn man Mallorquiner oder Katalane ist oder aus irgendeinem Flecken in der Mancha stammt, ist man in Canyamel, in der Nähe der Höhlen von Artà, ein Ausländer, sobald man diesen Ort betritt. Ich glaube nicht, dass etwas Ähnliches andernorts vorkommt, nicht einmal, wenn man die nordamerikanische Militärbasis von Torrejón de Ardoz besucht, denn dort muss der Anteil an Spaniern größer sein. In Canyamel hingegen sind 98% der Bevölkerung Deutsche. Canyamel hat etwas von einem Pilotprojekt, um herauszufinden, wie das Leben auf Mallorca in einer nicht allzu fernen Zukunft aussehen könnte. Canyamel würde die zwei deutschen Parlamentarier beglücken, die vorgeschlagen hatten, Mallorca als Bundesland Deutschlands anzuerkennen. Darüber haben einige Mallorquiner herzlich gelacht, aber in Wirklichkeit gibt es da nichts zu lachen.

Desde la ciudad nerviosa [Aus der nervösen Stadt], 2000

Übersetzt von Claudia Kalasz.

(Barcelona, 1948). Schriftsteller. Er ist Autor von Romanen, Essays und Presseartikeln. Seine literarische Laufbahn begann 1973 mit der Publikation eines Kurzromans. Inzwischen hat er über 30 Bücher der verschiedensten Genres veröffentlicht, darunter Historia abreviada de la literatura portátil (1985), Bartleby y compañía (2000), Desde la ciudad nerviosa (2000), El mal de Montano (2002), París no se acaba nunca (2003), Doctor Pasavento (2005) oder Dietario voluble (2008). Viele seiner Werke wurden mit Preisen ausgezeichnet.